Zweite Energiewende in Ostdeutschland: Kloster Posa will auf Erneuerbare setzen
Sophie-Marie Erxmeyer

Nils Reiche steht auf dem Hof des Klosters Posa. Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex liegt am Rand der Stadt Zeitz im südlichen Sachsen-Anhalt. Verputzte und unverputzte Häuser begrenzen den Hof am Kopfende. An den Seiten stehen ein wuchtiger Klinkerbau und eine langgezogene Scheune, etwas abseits eine Baracke aus DDR-Zeiten. Die Gebäude wirken zusammengewürfelt, was sie verbindet ist eins: Viel Dachfläche – viel leere Dachfläche. 

Ginge es nach Reiche, sähe das Dach anders aus: mehr Photovoltaik, weniger Leere. Bisher hat das nicht geklappt. „Die Energieversorgung auf dem Gelände des Klosters ist nicht ganz einfach, sagt er. Und das liegt nicht nur an der Abgeschiedenheit der Anlage. 

Nils Reiche lebt auf Posa – so wie insgesamt vier Familien. Sie gehören zum Verein Kultur- und Bildungsstätte Kloster Posa, der sich 2013 gegründet hat. Insgesamt verzeichnet er 17 Mitglieder. Der Verein ist Pächter des ehemaligen Klosters, Eigentümerin ist die Stadt Zeitz. Sie ist auch zuständig für die Energieversorgung des Geländes. Und die soll, geht es nach Stadt und Kulturverein, in Zukunft möglichst zeitgemäß sein – doch wie genau das umgesetzt werden kann, darüber waren sich beide Parteien in der Vergangenheit trotzdem nicht immer einig. Und dann darf noch jemand mitreden: der Denkmalschutz. 

Zurzeit steht auf Posa ein Gastank, der als Übergangslösung die Heizungen im frisch sanierten Gästehaus versorgt. Die Wohngebäude werden vorerst weiter mit Holzöfen beheizt. Nils Reiche sagt, er wünsche sich eine nachhaltige Energieversorgung für das Kloster – etwa eine Kombination aus Photovoltaik und Wärmepumpe. Der Denkmalschutz habe das bisher kritisch gesehen. Für eine langfristige, moderne Lösung möchte die Stadt nun ein Energiekonzept erarbeiten, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind.  

In Zeitz ist diese Wende hin zu erneuerbaren Energien, wie auf dem gesamten Gebiet der ehemaligen DDR, schon die zweite Umwälzung des Energiemarkts innerhalb weniger Jahrzehnte. 

Im Westen hat die Wiedervereinigung wenig Auswirkungen auf den Energiesektor mit sich gebracht, aber im Osten wurde das Energiesystem ziemlich auf den Kopf gestellt – nicht nur bezogen auf die Themen Privatisierung, Marktwirtschaft und mehr Umweltschutz, sondern auch durch die Schließung von sehr vielen Tagebauen”, sagt Ludger Gailing. Er ist Professor für Regionalplanung an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg. Unter anderem befasst er sich auch mit der Entwicklung des Energiesystems in den neuen Bundesländern nach der Wende. 

Schaue man sich den Stand von 1990 an, habe es in der alten Bundesrepublik einen Energiemix gegeben, sagt Gailing. Zwar stützte sich die westdeutsche Energieversorgung damals vorrangig auf Mineralöl, doch machte es nur knapp unter 40 Prozent am Gesamtenergieverbrauch aus. In der ehemaligen DDR hingegen setzte man zu diesem Zeitpunkt zu fast 70 Prozent auf einheimische Braunkohle. Auch, weil die Wirtschaftsstruktur des Landes kaum eine andere Lösung der Energieversorgung ermöglichte. Ein stabiles internationales Handelsgeflecht für Energieträger gab es nicht.

Nach der Wende folgte in den neuen Bundesländern das, was Gailing als den ersten Kohleausstieg” bezeichnet: Die massive Schließung von Tagebauen führte zu einer Neugestaltung der Energieversorgung im Osten, die sich wie im Westen aus einem breiteren Mix zusammensetzte. Mit dabei waren nun auch Erdöl und Gas. 

Mit der Jahrtausendwende begann deutschlandweit der Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei  gab es sowohl unter den neuen als auch unter den alten Bundesländern Unterstützer und Gegner: Wir haben in der Energieversorgung nicht mehr so sehr diese Trennung zwischen West und Ost – eigentlich ist es viel spannender, sich einzelne Bundesländer anzuschauen, was die für ein Profil haben”, sagt Gailing. Weniger nachhaltig ausgebaut haben ihre Energieversorgung bisher Sachsen und Bayern – anders als beispielsweise Niedersachsen, Brandenburg und eben auch Sachsen-Anhalt. 

Das klingt, als wäre Nils Reiche in Zeitz an der richtigen Stelle mit seinen nachhaltigen Energieplänen für Kloster Posa. Auch die Stadt signalisiert, dass sie nach einer passenden Lösung für den denkmalgeschützten Gebäudekomplex sucht: Man unterstütze die Bestrebungen des Vereins, das Kloster als Bildungsstätte weiter auszubauen, heißt es in einer Pressemitteilung. Dazu sei eine moderne Versorgung mit Energie notwendig. 

In Zukunft wird deshalb wohl vor allem der Denkmalschutz entscheidend sein. Und der ist deutschlandweit, ähnlich wie auf Posa, häufig eine Hürde, wenn es um die Wende hin zu erneuerbaren Energien geht: Bisher sind in vielen Altstädten Photovoltaikanlagen auf den Dächern tabu.

Durch die derzeitige Energiekrise scheint sich das zu ändern. So sagte Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) Mitte Juni gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk, er wolle „da die ersten Öffnungsschritte haben. Und im Westen der Bundesrepublik ist es etwa der Baden-Württembergischen Landesregierung wenige Wochen später eine Pressemitteilung wert, dass das Land in Zukunft „die Installation von Photovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden“ erleichtern werde. Den Wünschen von Nils Reiche und dem Kulturverein von Kloster Posa kommt dieser Trend jedenfalls entgegen. 

Foto: Privat

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